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Die Farbversteher – Page 10/2010

Als eine Emotion, die auf verschiedenen Sinneseindrücken beruht, hauptsächlich aber von Tastwahrnehmungen ausgelöst wird, begreift Timo Rieke Farbe. Er absolvierte erst das Farbdesign- und anschließend ein Grafikdesignstudium und ist heute Head of Graphic Design bei Coop Himmelb(l)au in Wien. Zusätzlich arbeitet er mit seinen Partnern Anja Sorger und Nestor Gianades an eigenen Projekten (www.gianades.de). “Wenn wir Farben beschreiben, verwenden wir häufig Begriffe, die vom Fühlen kommen, wie kalt oder spitz. Sehen ist so etwas wie eine erweiterter Tastsinn”, erklärt Rieke. Dieser Thematik befasst er sich intensiv mit seinem Buch “haptic visuals. Oberfläche und Struktur – Farbe und ihre Beziehung zur Tastwahrnehmung”.

“Begreift man, dass das Sehen zum Großteil auf Tasterfahrungen beruht, werden Gestaltungselemente wie Farbe Spielelemente einer auf Bewegungsdynamik und unmittelbarem Gefühl beruhenden Welt.” Farbe, so Rieke, sei Gefühl – und die Aufgabe des Farbdesigners bestehe darin, hieraus Farbstrategien für Produkte, Architektur und Kommunikation zu entwickeln. “Farbe ist für mich eine visuelle Sprache, die in jeder Anwendung Aufmerksamkeit erfordert. Auch wenn ich Bücher, Corporate Designs oder Leitsysteme mache, spielt sie, ebenso wie das Material, eine bedeutende Rolle.”

In der Buchgestaltung sieht Timo Rieke zurzeit viele gebrochene, natürlich wirkende Farben, wie helles, nicht gesättigtes, weiches Rosa, Graugrün oder Hellblau. “Häufig hört man, die Trendfarbe sei jetzt Gelb. Aber ich meine, Trendfarben werden zu pauschal behandelt. Man muss doch frage: Was ist das für ein Gelb, welche Materialität hat es?” Als Mitglied des Deutschen Farbenzentrums erstaunt ihn immer noch, wie vielfältig das Phänomen Farbe ist. “Da begegnet man Farbmetrikern, die die Technik in den Vordergrund stellen, und Künstlern, denen es vor allem um die Emotion geht. Ich glaube, wer die Farbe verstanden hat, der versteht die Welt.”

Artikelausschnitt aus der Page, 10/2010 “Die Farbversteher” von Antje Dohmann