farbe wird oft mit buntheit verwechselt
RAL interview, 2010
Farbe wird oft mit Buntheit verwechselt, Ein Interview mit Jurymitglied Timo Rieke
Auch 2010/2011 vergeben die RAL gGmbH und das Institut Farbe.Design.Therapie den Europäischen FarbDesignPreis. Jurymitglied Timo Rieke ist überzeugt, dass gute Farbgestaltung belohnt werden sollte. Der Europäische FarbDesignPreis ist für ihn ein wichtiges Signal an Auftraggeber und Gestalter, der Farbe eine größere Bedeutung beizumessen. Timo Rieke ist Head of Graphic Design im Architekturbüro Coop Himmelb(l)au und selbständiger Farb- und Grafikdesigner in Wien. Er entwickelt Konzepte für Produkte, Architektur und Kommunikation.
Welche Rolle spielen Farben in Ihrem Alltag?
Wir stehen täglich vor hunderten Farbentscheidungen und merken es in den meisten Fällen nicht einmal. Denn Farbe ist etwas, das wir – keiner weiß genau wie – von klein auf gelernt haben. Man stelle sich also vor, es gäbe keine Farbe. Dann entsteht plötzlich eine ganz andere Wertschätzung. Farbe wird zu einer visuellen Sprache, die ihre Prinzipien hat, ohne die wir kaum auskommen. Einer Sprache, die wir als Farbdesigner ständig hinterfragen und aktiv anwenden. Deshalb liebe ich das schwarze Quadrat von Malevich so sehr. Es zeigte das erste Mal, wie es ist, wenn keine Farbe da ist, wir uns aber im Angesicht der Schwärze endlich der Farbe bewusst werden.
Wie setzen Sie Farben in Ihrer Arbeit ein und wie gehen Sie bei der Farbwahl vor?
Jedes Projekt hat ein eigenes Farbkonzept. Nie aber ist Farbe bloßer Selbstzweck, denn ihre Wirkung ist soziologisch und psychologisch argumentier- und begründbar. Wenn nötig, dann verzichte ich lieber auf Farbe, als sie in einer nicht mehr identifizierbaren Buntheit zu verlieren – Farbe wird leider oft mit Buntheit verwechselt. In der Arbeit als Grafikdesigner spielt die Farbe als emotionale Sprache immer eine Rolle – ob ich nun Leitsysteme gestalte, Plakate entwerfe oder Bücher entwickle. Als Farb-Designer entwickle ich Farbkonzepte und Farbwelten, die Leitfaden sein können für Stadtplaner, Architekten, Produktdesigner oder Materialhersteller. Dabei ist empirische Grundlagenforschung für mich die Basis von Gestaltung und Farbwahl. In meinem Buch „Haptic Visuals“ versuche ich, das Phänomen Farbe anhand von Berührung und taktilen Reizen zu verstehen. So ist zum Beispiel eine raue Oberfläche farblich ganz anders zu behandeln als eine glatte, weiche.
Warum engagieren Sie sich als Jury-Mitglied für den Europäischen FarbDesignPreis?
Ich glaube, dass der Europäische FarbDesignPreis einen Beitrag dazu leisten kann, Farbe als ein äußerst vielfältiges aber durchaus steuerbares Gestaltungsmittel zu kommunizieren. Dabei muss es wichtig sein, einen sensiblen Umgang mit Farbe, Materialität und Haptik in den Vordergrund zu stellen. Wenn Farb-Designer früh in den Gestaltungsprozess einbezogen werden, zeigt sich oft, dass ganz außerordentliche Ergebnisse entstehen, die weit über den originären Gebrauchswert eines Objektes hinausgehen.
Was ist das Ziel des Europäischen FarbDesignPreises?
Der Preis ist ein wichtiges Signal für Auftraggeber und Gestalter, zu zeigen, dass es sich lohnt, der Farbe einen größeren Rahmen einzuräumen. Farbe ist Lebenskultur. Gute Farbgestaltung gehört gefunden, belohnt und kommuniziert. Das passiert bisher viel zu wenig.
Nach welchen Kriterien werden die Preisträger ausgewählt?
Was ist Ihnen persönlich besonders wichtig? Neben den in der Ausschreibung festgelegten Kriterien ist es mir bei der Preisfindung nicht wichtig, ob es sich um ein großes oder ein kleines Projekt handelt. Oftmals sind es genau die kleinen sensiblen Projekte, die Neues entstehen lassen und besonders spannend sind. Aber auch große, interdisziplinär geführte Projekte werden sicher eine Rolle spielen.
Zum Europäischen FarbDesignPreis
Auch 2010/2011 zeichnen RAL gGmbH und das Institut Farbe.Design.Therapie herausragende konzeptionelle, gestalterische, handwerkliche, künstlerische oder wissenschaftliche Leistungen aus, bei denen Farbe als wesentliches Gestaltungsmittel eingesetzt wird. Der Europäische FarbDesignPreis ist mit insgesamt 25.000 Euro dotiert. Einsendeschluss für alle Einreichungen ist der 10. August 2011. Weitere Informationen und die vollständigen Ausschreibungsunterlagen stehen unter www.farbdesignpreis.com zur Verfügung.
https://www.ral-farben.de/timo-rieke-im-interview.html